Veranstaltung: | Bundeshauptausschuss |
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Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 97, Nein: 2, Enthaltungen: 3 |
Beschluss durch: | Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland |
Beschlossen am: | 09.11.2024 |
Eingereicht: | 18.10.2024, 15:53 |
Stark in stürmischen Zeiten - KOLPING ist ein starker katholischer Sozialverband und gibt der katholischen Kirche in Deutschland ein Gesicht
Beschlusstext
Der Bundeshauptausschuss 2024 möge den Antrag „Stark in stürmischen Zeiten –
KOLPING ist ein starker katholischer Sozialverband und gibt der katholischen
Kirche in Deutschland ein Gesicht“ beschließen.
Stark in stürmischen Zeiten
KOLPING ist ein starker katholischer Sozialverband und gibt der katholischen
Kirche in Deutschland ein Gesicht
Wir sehen die Zeichen der Zeit und haben einen realistischen Blick auf die
Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland. Das Kolpingwerk Deutschland
erfüllt viele gesellschaftliche Aufgaben und sieht den Glaubensvollzug und die
religiöse Bildung weiterhin als ein zentrales Verbandselement. Im Zusammenspiel
zwischen Haupt- und Ehrenamt nehmen wir wahr, dass wir Antworten finden müssen
auf die wachsende Säkularisierung der Gesellschaft. Zukunftsfähigkeit im Blick
zu behalten und den Verband auf allen Ebenen in seiner Vielfältigkeit zu
erhalten, ist dabei oberste Maxime. Wir sind bewusst ein Teil der katholischen
Kirche in Deutschland und nehmen unsere Verantwortung auch bei
kirchenpolitischen Fragen wahr.
Wir leben in einer zunehmend säkularen Gesellschaft. Dies hat auf
weltkirchlicher Ebene Papst Franziskus wie folgt formuliert: „Wir erleben nicht
eine Ära des Wandels, sondern einen Wandel der Ära.“ Der Trend der
Säkularisierung ist Realität und muss ernst genommen werden. Dies geht damit
einher, dass die konfessionelle Bindung in Deutschland stark rückläufig ist.
Dies schlägt sich auch in den Mitgliedszahlen der katholischen Verbände nieder,
die in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich 20-50 % je nach Verband
gesunken sind. Das Kolpingwerk Deutschland ist immer noch einer der
mitgliederstärksten katholischen Verbände in Deutschland. Wie stark sich die
Säkularisierung auf die christlichen Kirchen auswirkt und welche besondere
Bedeutung die Verbände für die kirchliche Bildung ihrer Mitglieder hat, wird in
der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsstudie deutlich.[1]
Wir handeln und haben dabei die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit im Blick
Als Sozialverband setzen wir uns vor allen für diejenigen ein, die unserer
Unterstützung bedürfen. Dies wird in unserem vielfältigen Engagement sowohl in
unseren Kolpingsfamilien und auf allen Ebenen unserer verbandlichen Gliederungen
als auch in der Jugendberufshilfe und -sozialarbeit deutlich, die unsere
Einrichtungen und Unternehmen leisten. Außerdem sind wir spirituelle
Gemeinschaft und kirchenpolitische Heimat für all jene, die sich mit der
Botschaft Jesu Christi verbunden fühlen. Wir haben aber auch zugleich diejenigen
im Blick, die eine große Sehnsucht nach innerkirchlichen Reformen verspüren.
Innerhalb unseres Verbandes sollen sich sowohl „Traditionalist*innen“ als auch
„Reformer*innen“ beheimatet fühlen. Die große kirchenpolitische Bandbreite sehen
wir als Chance und nicht als Manko. Wie wichtig uns das Zusammenspiel zwischen
gesellschaftlichem Engagement und Glaubensbildung ist, wird für uns im Satz 8
des Leitbildes deutlich:
„Der Glaube an Jesus Christus und seine frohe Botschaft bewegt uns. Auf dieser
Basis entwickeln wir die Grundhaltungen für unser persönliches Leben und unser
gemeinschaftliches Wirken. Kolping ist ein Glaubensort und bietet suchenden und
fragenden Menschen eine religiöse Heimat. Zum christlichen Glauben gehören
untrennbar soziales und gesellschaftspolitisches Engagement.“
Wir fördern das Bewusstsein für die Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und
Solidarität
Das bedeutet für uns, sozial- und gesellschaftspolitisch am „Puls der Zeit” zu
sein. Wir versuchen Menschen in unserer säkularen Gesellschaft für unsere Werte
zu begeistern. Dies gelingt uns durch unsere Projekte wie das Kolping Netzwerk
für Geflüchtete oder das Klimamobil der Kolpingjugend, aber auch über unsere
bundesweiten Einrichtungen und Unternehmen. Wir unterstützen Ehrenamtliche durch
lebensbegleitende Bildung, sich einzubringen, sei es in der sozialen
Selbstverwaltung, in innerverbandlichen Gremien und im Kontakt zu vielen
Netzwerkpartner*innen. In unseren Kolpingsfamilien erleben Menschen Gemeinschaft
und Nähe, die sie in den großen Pastoralräumen nicht mehr finden. KOLPING ist
Heimat für Viele und kümmert sich um die „Nöte der Zeit“. Das Kolpingwerk
Deutschland ist mit der Arbeit in seinen verschiedensten Handlungsfeldern breit
aufgestellt. Dies hat eine lange verbandliche Tradition und zeigt, dass wir in
den vergangenen Jahrzehnten immer schon am Puls der Zeit agiert haben. Besonders
hervorzuheben ist unser Einsatz für die Arbeiter*innenrechte und das Handwerk.
Ganz in der Tradition des Verbandsgründers engagieren wir uns heute in der
sozialen Selbstverwaltung und sind in den Handwerkskammern aktiv. Was früher die
Gesellenwohnheime waren, sind für uns heute die Einrichtungen des Azubi- und
Jugendwohnens. Hier geben wir den Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine
„Heimat auf Zeit” und bieten eine sozialpädagogische Unterstützung an, um die
Bewohner*innen in ihrer Verselbstständigung zu fördern. Gleiches gilt für die
Berufsbildungswerke. Hier fördern wir Jugendliche und junge Erwachsene mit
Förderbedarfen in ihrer beruflichen Entwicklung und auf dem Weg in den ersten
Arbeitsmarkt. In unserem Engagement in der Arbeitsgemeinschaft christlicher
Arbeitnehmerorganisationen (ACA) bringen wir uns mit einer klaren christlichen
Grundhaltung bei den Sozialversicherungen und Rentenversicherungsträgern ein.
Wir haben dabei aber nicht nur Deutschland im Blick, sondern engagieren uns
gemeinsam mit KOLPING INTERNTIONAL in der Einen Welt
All diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, dass Kolping nicht nur eine wichtige
sozialpolitische Größe in der Bundesrepublik darstellt und nicht ausschließlich
auf die eigenen Verbandsmitglieder schaut, sondern ein solidarisches
Gesellschaftsmodell und eine moderne soziale Marktwirtschaft fördern möchte –
gestern, heute und in Zukunft (vertiefende Ausführungen zum sozialpolitischen
Wirken des Verbandes finden sich in der Anlage 2).
Wir als KOLPING sind ein ernst zu nehmender Netzwerkpartner, weil wir
Kooperationen und Arbeitsgremien mit anderen Verbänden und kirchlichen
Gruppierungen, aber auch mit gesellschaftlichen und politischen Akteur*innen
aufgebaut haben und diese pflegen.
Unsere verbandliche Spiritualität fußt auf den Prinzipien der katholischen
Soziallehre
All unser Engagement fußt dabei auf christlichen Werten und christlichem
Handeln. Dabei sind die drei Grundprinzipien der katholischen Soziallehre
Personalität, Solidarität und Subsidiarität „Eckpfeiler des Handelns” unseres
Verbandes. Wir machen unseren Mitgliedern durch die vielen haupt- und
ehrenamtlichen Mitarbeitenden ein personales Angebot, was Orientierung
ermöglicht. Solidarisches Handeln, gerade für Menschen in Nöten, ist seit
unserer Verbandsgründung vor fast 175 Jahren ein wesentlicher Punkt unseres
Handelns. Dies wird in Satz 10 unseres Leitbildes einmal mehr deutlich. Dort
heißt es:
„In der Nachfolge Jesu Christi interessieren wir uns für die Lebensgeschichten
der Menschen. In den konkreten Begegnungen des Alltags, besonders mit Menschen
in sozialen Nöten, entdecken wir unsere Aufgaben immer wieder neu.“
Wir bieten auch an all den Stellen Unterstützung, wo Staat und Kirche nicht oder
nicht hinreichend aktiv werden können, und setzen dabei unsere vielfältigen
Kompetenzen ein. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips versuchen wir mit unseren
Unterstützungsangeboten im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe, die Menschen zu
befähigen, ihre Sorgen, Nöte und Handicaps eigenverantwortlich in die Hand zu
nehmen.
Wir stellen uns den Herausforderungen des Wandels, indem wir unser verbandliches
Handeln immer wieder hinterfragen und auf innerkirchliche und gesellschaftliche
Veränderungen reagieren, ohne beliebig zu werden. Dies zeugt von Innovations-
und Reflexionsfähigkeit und zeigt, dass wir Teil einer Kirche sind, die sich um
die Menschen sorgt, einer Kirche, die „Lust auf Auseinandersetzung mit dem
eigenen Glauben“ macht, die neue Formen der Glaubensvermittlung und -weitergabe
ausprobiert und „nah bei den Menschen“ ist. Als religiös geprägte Menschen haben
wir alle eigene Charismen, die es einzubringen gilt. Spirituelles Handeln im
Verband ist deswegen auf mehrere Schultern verteilt. Geweihte und Laien
übernehmen Verantwortung, dies entspricht auch der Pastoralkonstitution „Lumen
Gentium“ (LG 32), die betont: „Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer,
Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet
doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde
und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi...“. Unser Spiritualitätsverständnis
ist von Freude und Bestärkung geprägt. Wir wollen lebensfroh den „Glauben in die
Welt” tragen. Als Gemeinschaft von Gläubigen heißt dies auch, ganz individuell
unsere Kolpinggeschwister zu motivieren, aber ihnen auch in schweren Momenten
beizustehen. Es bedeutet auch zu motivieren, selbst in der Glaubensbildung
Verantwortung zu übernehmen und spirituelle Impulse zu setzen. Die Gemeinschaft
im Glauben kann durch viele Formen sichtbar werden, sei es im religiösen
Vortrag, in der gemeinsamen Wort-Gottes-Feier, durch Bibelgespräche und weitere
Formen. Wichtig ist hier, dass mehr als oftmals im Gemeindeleben das
„Miteinander”, das gemeinsame „Feiern des Lebens und Wirkens Jesu Christi” im
Vordergrund stehen. Schon unser Verbandsgründer Adolph Kolping hatte die
Metapher von „Gott als Gärtner” im Blick, der beim Wachsen und Reifen helfe, als
„Kümmerer” und „Befähiger”.
KOLPING – ein starker katholischer Sozialverband
Katholische Verbandsarbeit, wie sie bei KOLPING gelebt wird, ist ein
wesentlicher Teil von katholischer Kirche in Deutschland und unverzichtbar.
Verbände wie KOLPING tun den Menschen gut. Sie „schenken der Welt ein
menschliches Gesicht” (Kolpingmusical) und machen dadurch Gottes Liebe für
Menschen erfahrbar.
Demokratie und ein partizipatives Miteinander von Laien und Klerikern, von
Ehren- und Hauptamtlichen ist gelebte Selbstverständlichkeit bei KOLPING. Das
gemeinsame Ringen um Lösungen, das Schließen von Kompromissen und die
Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen macht uns als Verband aus.
Das Engagement bei KOLPING ist somit ein wichtiger Lernort für Demokratie.
KOLPING möchte einen Gegenpol zur zunehmenden Polarisierungstendenz innerhalb
der Gesellschaft setzen. Antidemokratische Entwicklungen sehen wir mit Sorge.
Extremistische, menschenverachtende und -ausgrenzende politische Auffassungen
haben in unserem Verband keinen Platz. Dass wir uns generationenübergreifend
gesellschaftlichen und auch kirchenpolitischen Fragen nähern, mit durchaus
unterschiedlichen Sichtweisen, macht uns aus.
Vielfältiges Engagement in Kirche und Gesellschaft braucht mehr als ideelle
Anerkennung, sondern langfristige finanzielle Absicherung
Veränderte Pastoralstrukturen haben einen großen Einfluss auf die Arbeit der
katholischen Verbände vor Ort, da die Kolpingsfamilien oftmals eine enge
Anbindung an die Pfarrgemeinden haben. KOLPING ist eine tragende Säule des
kirchlichen Lebens und unverzichtbarer Teil der katholischen Verbandslandschaft.
Um langfristig gute Arbeit leisten zu können, braucht es solide Strukturen in
den Diözesen und auf Bundesebene. Nur so kann die Vernetzung innerhalb des
Verbandes professionell begleitet, die Verbandsentwicklung vorangetrieben und
das Themen- und Aufgabenspektrum beibehalten und erweitert sowie Innovationen
vorangetrieben werden. Ehrenamtlichkeit muss durch Hauptamtlichkeit untermauert
werden. Dazu braucht es auch eine nachhaltige Absicherung der finanziellen
Ressourcen. Im Zuge enger werdender finanzieller Mittel auch beim Verband der
deutschen Diözesen (VDD) darf hier nicht zu Lasten der Verbände gespart werden.
Der Bundesvorstand setzt sich daher in Gesprächen mit den kirchlichen
Verantwortlichen für die Erhaltung des Status Quo – nicht nur auf Bundesebene –
ein. Ferner gilt es, die katholischen Verbände stärker als bisher in die
Diskussion um veränderte Pastoralstrukturen in den (Erz-)Bistümern einzubinden
und sie als wichtige Partner in den diversen diözesanen Prozessen anzusehen.
Auch bei knapper werdenden Haushaltslagen in den (Erz-)Bistümern gilt es, nicht
zu Lasten der katholischen Verbände zu kürzen.
Ohne uns wird es in der Gesellschaft kälter!
Hinweis: Zu diesem Antrag gibt es eine Anlage. Diese ist hier abrufbar.
[1] KMU-Studie 2023: https://kmu.ekd.de/
Begründung
Unser Verband steht auf einem starken Fundament und ist engagiert in verschiedensten Handlungsfeldern, wir sind eine starke Stütze innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Dieses Papier soll einmal mehr verdeutlichen, für welche Spiritualität wir stehen, warum ohne unser Handeln in Gesellschaft und Kirche etwas fehlen würde und welche Rahmenbedingungen hierfür unerlässlich sind. Es soll einmal mehr die Besonderheit und Wichtigkeit unseres Verbandes innerhalb der katholischen Verbandslandschaft hervorgehoben werden. Katholische Verbände bieten einen wichtigen Kontrapunkt und sind ein konstruktives Element innerhalb der multiplen Kirchenkrisen.