Veranstaltung: | Bundeshauptausschuss |
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Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 111, Nein: 1, Enthaltungen: 1 |
Beschlossen am: | 09.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Demokratie lebt vom Mitmachen – Aufruf des Bundeshauptausschusses zum Schutz von Freiheit und Demokratie
Beschlusstext
Der Bundeshauptausschuss 2024 möge den Aufruf „Demokratie lebt vom Mitmachen –
Aufruf des Bundeshauptausschusses zum Schutz von Freiheit und Demokratie“
beschließen.
Demokratie braucht unser aller Mittun – Aufruf des Bundeshauptausschusses zum
Schutz von Freiheit und Demokratie
Aus Anlass des diesjährigen Bundeshauptausschusses ruft das Kolpingwerk
Deutschland weiter zu mutigem und entschlossenem Handeln für Freiheit und
Demokratie auf. Der 9. November ist ein besonderes Datum in der deutschen
Geschichte, das daran erinnert, dass das Recht auf gesellschaftliche und
politische Teilhabe sowie Rechtstaatlichkeit keine Selbstverständlichkeiten
sind. Sie sind das Ergebnis harter Auseinandersetzungen und müssen durch aktives
Eintreten aller Bürger*innen bewahrt und weiterentwickelt werden. Angesichts
zunehmender extremistischer Tendenzen in Europa ist dies umso deutlicher in
Erinnerung zu rufen.
Der 9. November ist ein Datum, dessen Ereignisse und Auswirkungen weit über die
eigenen Grenzen gewirkt haben. Vom Scheitern der Märzrevolution im Jahr 1848
über das Ausrufen der ersten deutschen Republik 1918, den gescheiterten Hitler-
Putsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und den Fall der Berliner Mauer 1989 –
deutsche und europäische Geschichte lagen am 9. November häufig eng beieinander
und sind bis heute nicht voneinander zu trennen.
Mit dem 9. November 1989 werden in Europa Schlagworte wie Friedliche Revolution,
Demokratisierung, Befreiung und Grenzöffnung verbunden. 35 Jahre nach dem Fall
des Eisernen Vorhangs haben sich allerdings nicht alle Erwartungen erfüllt, die
mit der Einkehr von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Mitte
Europas einhergingen. Im Gegenteil wird die Demokratie als Herrschaftsform vom
und für das Volk teils deutlich herausgefordert, teils sogar offen infrage
gestellt. Dies zeigt sich im Agieren populistischer Regierungen, die sich zum
Ziel gesetzt haben, rechtsstaatliche Grundsätze, wie die Unabhängigkeit von
Justiz und Medien zu untergraben.
Nationalismus gefährdet Demokratie
Das Erstarken nationalistischer bis rechtsextremer Strömungen bei den
zurückliegenden Europa-Wahlen unterstreicht diese beunruhigende Entwicklung auf
dramatische Weise. Mit Sorge wird wahrgenommen, dass mittlerweile in nahezu
allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nationalistische und
extremistische Bewegungen erstarkt sind – vom französischen Rassemblement
National, den italienischen Fratelli d´Italia über den ungarischen Fidesz und
der schwedischen Sverigedemokraterna bis zur Alternative für Deutschland.
Teils unverhohlen, häufig aber geschickt kaschiert, machen sie sich auf den Weg,
die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit infrage zu stellen und sie
in Regierungsverantwortung schleichend außer Kraft zu setzen. Nationalistische
Bewegungen missbrauchen teils berechtigte Ängste und Sorgen, um die Demokratie
zu beschädigen. Ängste und Sorgen sind das Ergebnis verschiedener Ursachen, die
beispielsweise von den Auswirkungen eines zunehmenden Stadt-Land-Gefälles über
Defizite in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung sowie Mängeln im
Bildungssystem bis hin zu den Folgen umweltpolitischer Maßnahmen und
migrationspolitischer Entscheidungen reichen.
Insbesondere Fragen von Migration und Integration werden auf Basis
althergebrachter Stereotypen instrumentalisiert. So machen es sich
rechtspopulistische Parteien zum Ziel, Teile der Gesellschaft zu Gunsten
nationalistischer Parolen zu stigmatisieren und auszugrenzen. Ein Blick auf die
Ereignisse des 9. November 1938 mahnt auf dramatische Weise dazu,
unmissverständlich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Position zu
beziehen, bevor Extremismus weiter in menschenverachtende Gewalt umschlägt.
Auch wirken nationalistische Bewegungen dem Anliegen all jener entgegen, die im
Vorfeld des 9. November 1989 für Freiheit und Demokratie eintraten. Mit ihren
nationalistischen und europafeindlichen Parolen greifen sie das größte
Friedensprojekt der Nachkriegszeit, die Europäische Union, offen an und stellen
demokratische sowie rechtsstaatliche Standards zunehmend in Frage. Damit wird
das Begleitmotiv der friedlichen Revolution im Herbst 1989 – die Rückkehr nach
Europa – ad absurdum geführt. Der Bundeshauptausschuss des Kolpingwerkes will
sich mit dem diesjährigen Tagungsort Trier dieser Entwicklung ausdrücklich
entgegenstellen. Die Stadt Trier ist tief verwurzelt in der europäischen
Geschichte und ein beliebter Begegnungsort für Menschen aus ganz Europa.
Demokratie braucht Engagement
Demokratie lebt nicht nur vom Engagement für und in demokratischen Parteien,
sondern vor allem auch von einer starken Zivilgesellschaft. Vereine und Verbände
als Teil dieser Zivilgesellschaft sind genauso wie politische Parteien
verpflichtet, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzutreten. Als
generationenübergreifender christlicher Sozialverband nimmt das Kolpingwerk mit
seinen mehr als 2000 Kolpingsfamilien diese Verantwortung wahr und wirbt
unermüdlich für ein freiheitliches und demokratisches Miteinander. Im Rahmen
niedrigschwelliger Bildungsarbeit leistet das Kolpingwerk mit seinem Netzwerk
für Geflüchtete, das Anfang 2026 zehnjähriges Bestehen feiert, einen Beitrag
gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Nach Überzeugung des Kolpingwerkes besteht trotz zunehmender antidemokratischer
Tendenzen ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die Demokratie die
einzige Herrschaftsform ist, die Freiheit und rechtsstaatliches Miteinander
garantiert. Sie gesteht den Bürger*innen das universelle Recht zu, in freien und
geheimen Wahlen über ihre Regierung zu entscheiden. Genauso ermöglicht sie, dass
alle Bürger*innen ihre Meinung frei und ohne Repressalien äußern können.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung muss nicht nur mit Worten, sondern
auch durch aktives Handeln aller Bürger*innen immer wieder, und hier besonders
gegenüber Extremist*innen aus allen politischen und religiösen Richtungen,
verteidigt werden. Dieses mutige Engagement kann schon im persönlichen Umfeld
beginnen, wenn es darum geht, Klischees, Stammtischparolen oder Hass mit Fakten
und einer klaren Haltung entgegenzutreten. Hier sollte Jede und Jeder einen
Beitrag leisten.
Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr ruft das Kolpingwerk alle
Mitbürger*innen zu einem klaren Bekenntnis für die Demokratie und den
Rechtsstaat auf. Machen Sie von Ihrem Stimmrecht Gebrauch und setzen ein klares
Zeichen gegen Hass und Hetze! Nur auf Grundlage einer freiheitlich-
demokratischen Grundordnung kann es dauerhaften Frieden zwischen Menschen und
Nationen geben.
Begründung
Der Bundeshauptausschuss tagt in diesem Jahr parallel zum 9. November. Der 9. November ist in mehrfacher Hinsicht ein historisch bedeutsames Datum, dessen Ereignisse – von der März-Revolution 1848 über die Reichspogromnacht 1938 bis zum Fall der Berliner Mauer 1989 – langfristige Auswirkungen auf deutsche und europäische Geschichte hatte. Angesichts eines wachsenden Populismus in Europa und mit Blick auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr schlägt der Bundesvorstand eine politische Erklärung vor, um ein Zeichen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in die inner- und außerverbandliche Öffentlichkeit zu senden