Veranstaltung: | Bundeshauptausschuss |
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Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 98, Nein: 5, Enthaltungen: 4 |
Beschluss durch: | BHA |
Beschlossen am: | 09.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Positionierung zur Stärkung der Demokratie durch eine gerechtere Arbeitswelt
Beschlusstext
Der Bundeshauptausschuss 2024 möge den Antrag Positionierung zur Stärkung der
Demokratie beschließen.
Positionierung zur Stärkung der Demokratie durch eine gerechtere Arbeitswelt
Das Kolpingwerk Deutschland ist ein generationsübergreifender, sozialer Verband,
der sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzt. Im Leitbild des
Kolpingwerkes Deutschland heißt es: „Unser besonderes Augenmerk gilt den
benachteiligten und hilfesuchenden Menschen, die unserer Unterstützung
bedürfen“. In Ziffer 22 des Leitbildes wird dies besonders deutlich: „KOLPING
fördert politisches Engagement in Parteien, die die grundlegenden demokratischen
Prinzipien und die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht in Frage
stellen, und Parlamenten sowie andere Formen gesellschaftlicher Teilhabe. Darin
sehen wir einen unverzichtbaren Beitrag zur verantwortungsbewussten
Mitgestaltung unserer Gesellschaft.“ Und in Ziffer 51 des Leibildes bekräftigt
das Kolpingwerk Deutschland die „AKTIVE MITGESTALTUNG DER ARBEITSWELT:“
Deshalb blickt das Kolpingwerk Deutschland mit Sorge auf eine antidemokratische
Entwicklung in Gesellschaft und Politik. Diese Entwicklung zeigte sich
beispielsweise in den Wahlergebnissen der letzten Kommunal- und Landtagswahlen,
aus denen die AfD gestärkt hervorgeht und damit bei jetzigen Wahlen die
zweitstärkste Fraktion im Bundestag stellen könnte. Die AfD ist die Partei, die
auf Bundesebene vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall
eingestuft werden darf, und diese Partei konnte Wahlerfolge verbuchen.
Das Kolpingwerk Deutschland fordert, von den demokratischen Parteien und ihren
Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen der verschiedenen Ebenen sich nicht
nur in Statements gegen diese Entwicklung auszusprechen, sondern ihr politischen
Handeln danach auszurichten, dass dieser antidemokratischen Entwicklung die
Grundlage entzogen wird.
Das Kolpingwerk Deutschland als katholischer Sozialverband mit seinen
Tätigkeitsfeldern in den Gremien der sozialen und handwerklichen
Selbstverwaltung macht darauf aufmerksam, dass eine Grundlage für das Erstarken
autoritärer Akteur*innen in Politik und Gesellschaft immer auch ökonomische
Aspekte waren und sind. Mangelnde Chancengerechtigkeit, ungleiche
Lastenverteilung, der Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten, die Kürzung von
Sozialleistungen, empfundene oder faktische Benachteiligung und vieles mehr
spielen über alle sozialen gesellschaftlichen Schichten hinweg
antidemokratischen Akteuren und Strukturen in die Hände.
Das Kolpingwerk Deutschland ist sich bewusst, dass ökonomische Aspekte nicht die
alleinige Grundlage für das Erstarken autoritärer Strömungen bilden, sondern
auch antidemokratische Ideologieelemente, mangelnde politische Kommunikation,
die Herausforderungen des Strukturwandels und auch der Migration in den
verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und die Aufgaben in anderen
Politikfeldern eine Rolle spielen. Dennoch muss die Wichtigkeit der ökonomischen
Aspekte als Basis für eine funktionierende Demokratie hervorgehoben werden. Wir
sind davon überzeugt, dass eine gerechtere Arbeitswelt auch den demokratischen
Strukturen zugutekommt und den Demagogen und autoritären Charakteren eine Ihrer
Grundlagen entzieht.
Das Kolpingwerk Deutschland fordert folgendes:
- Die Sozial- und Tarifpartnerschaft als ordnungspolitischer Grundpfeiler
der Sozialen Marktwirtschaft, verliert seit Jahren an Bedeutung. Neben der
Rückbesinnung auf die Stärken dieser Partnerschaft fordert das Kolpingwerk
Deutschland die Ausweitung von Branchen- und Flächentarifen sowie die
Stärkung des Instruments der Allgemeinverbindlicherklärung.
- Noch immer sind viele Betriebe und Unternehmen, insbesondere im
Dienstleistungsbereich, ohne Betriebsrat. Betriebsräte leisten jedoch
einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden und sorgen für
vernünftige Arbeitsverhältnisse. Das Kolpingwerk Deutschland spricht sich
dafür aus, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Gründung von
Betriebs- und Personalräten - insbesondere in klein- und mittelständischen
Betrieben - flexibilisiert/ vereinfacht werden.
- Das Kolpingwerk Deutschland fordert die konsequente Umsetzung des
Mindestlohns für alle (abhängig) Beschäftigten. Die Höhe des Mindestlohns
ist in Anlehnung an die Maßgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie so zu
gestalten, dass die Beschäftigten angemessen Sorge für ihren
Familienunterhalt tragen können, dass sie für das Alter vorsorgen können
und das gesellschaftliche Teilhabe garantiert ist.
- Zeitarbeit und Werkverträge dürfen nicht gegen die Grundsätze der
katholischen Soziallehre / christlichen Gesellschaftslehre und gegen die
sozialethischen Grundlagen des Kolpingwerkes verstoßen. Sie ist nur dann
akzeptabel, wenn die in der jeweiligen Branche geltenden Tarifverträge
volle Anwendung auf die Beschäftigten in der Leiharbeit finden.
- Prekäre bzw. atypischen Beschäftigungsverhältnisse müssen weiter und
stärker gesenkt werden. Mittel- bis langfristig sind diese
Arbeitsverhältnisse in tarifgebundene Verträge zu überführen.
- Es gilt, familienfeindliche Arbeitsbedingungen zu verhindern. Junge
Menschen müssen eine gesicherte, berufliche Perspektive bekommen, um eine
solide Lebens– und Familienplanung zu ermöglichen.
- Der Sonntag muss als Tag der Familie, der Religion, der Kultur und der
Erholung geschützt werden.
- Eine globalisierte Arbeitswelt braucht internationale Betriebsräte analog
der Möglichkeit zur Bildung europäischer Betriebsräte in multinational
agierenden Unternehmen. Nur so kann erreicht werden, dass auch in
ausländischen Niederlassungen angemessene Löhne bezahlt und faire
Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
- Die Regelungen der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnung bleiben
leider in weiten Bereichen hinter den staatlichen Gesetzen zurück. Den
Kirchen wäre es durchaus zumutbar, die staatlichen Regelungen zur
betrieblichen Mitbestimmung bzw. zur Unternehmensmitbestimmung
entsprechend der katholischen Soziallehre / christlichen
Gesellschaftslehre anzuwenden.
- Die freie Wahl des Arbeitsplatzes ist europaweit zu fördern. Dabei ist
jedoch die konsequente Einhaltung sozialer Mindeststandards, die bspw. in
der Sozialcharta des Europarates verankert sind, unumgänglich. Sie sind
Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb in Europa und die Durchsetzung
menschenwürdiger Arbeitsbedingungen auf einem hohen Sozialstandardniveau.
Insbesondere muss auch hier der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit am gleichen Ort“ gelten.
- Durch die Digitalisierung der Arbeitswelt stehen Unternehmen in der
besonderen Verantwortung, in eine adäquate Aus- und Weiterbildung zu
investieren. Stetiger technologischer Fortschritt erfordert ein
lebensbegleitendes Lernen.
- Auch der Staat ist durch die Digitalisierung gefordert: Er muss
sicherstellen, dass sowohl im Bildungssystem sowie in die Infrastruktur
flächendeckend und nachhaltig investiert wird. Denn Bildung ist der
Schlüssel, um zu verhindern, dass Menschen durch die Digitalisierung
sowohl in der Gesellschaft als auch in der Arbeitswelt abgehängt werden.
Begründung
Mit dem Erstarken der AfD ist unsere Demokratie gefährdet. Das KWD ist deshalb zur Positionierung aufgefordert. Im Rahmen der Stärkung der Demokratie sollten wir nicht nur gesellschaftliche und politische Aspekte, sondern auch ökonomischen Faktoren stärker in unsere Positionierungen und Aktionen einbeziehen. Die wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit sind wesentliche Grundlagen einer funktionierenden Demokratie. Soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Benachteiligung führen häufig zu politischer Unzufriedenheit, Populismus und Demokratieverdrossenheit.
Indem das Kolpingwerk ökonomische Aspekte in den Blick nimmt, können wir gezielter auf die Herausforderungen einer sozialen Marktwirtschaft eingehen, Chancengleichheit fördern und die gesellschaftliche Teilhabe stärken. Dadurch leisten wir einen umfassenden Beitrag zur Förderung einer lebendigen und resilienten Demokratie.